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Ich erinnere mich noch gut daran, dass mir, als ich ein Kind war, die Grundschullehrerin (ich erinnere mich an DIE Grundschullehrerin... wahrscheinlich, weil es in diesen Zeiten nur eine gab) von der Wanderweidewirtschaft (Transhumanza) erzählte, einem langen Weg, den die Hirten der Abruzzen im Herbst in Angriff nahmen, um ihre Herden zum Überwintern nach Apulien zu bringen.

Der Beginn des Viehtreibens war stets der 29. September, dem Gedenktag des heiligen Erzengels Michael. Der Tag der Rückkehr war der 8. Mai, ebenfalls ein Gedenktag zu Ehren des Erzengels und zwar dem seines Erscheinens auf dem Monte Gargano in Apulien.

Was ich damals allerdings nicht wusste war, dass die Transhumanza, die über Jahrhunderte Bestand hatte, mittlerweile nur noch eine weit entfernte Erinnerung war und dass die letzten Hirten schon in jenen Tagen gewohnt waren, ihre Schafe mit dem Lastwagen nach Apulien zu bringen: nur noch eine Tagesreise statt drei Wochen Fußmarsch.

Die Idee dieses langen, von mir als "episch" empfundenen Herumschweifens hat mich immer fasziniert und meine Fantasie angeregt. Darum habe ich im Sommer 2013 beschlossen, einmal alternative Ferien zu Fuß zu machen und zu versuchen, die alten Triften zu durchwandern, um herauszufinden, was davon und von dem alten Brauch noch übrig wäre.

Um die Reise vorzubereiten habe ich mich hauptsächlich auf das Internet gestützt, da ich überzeugt war, dass viele andere schon die gleiche Erfahrung gemacht hätten und dass es leicht wäre, an Informationen zu kommen.

Aber hier habe ich mich getäuscht! Damals fand ich wenige Websites, die sich mit Viehtriften befassten. Oft konzentrierten sich diese (berechtigterweise) nur auf historische Aspekte, aber lieferten selten nützliche Informationen für die Organisation einer Wanderung wie ich sie im Sinne hatte. Heute ist die Situation besser, ein Zeichen dafür, dass die Triften beginnen, die Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen.

Damals gelang es mir auch nicht, geeignete GPS-Daten zu finden, um die Stecke zu Fuß zu bewältigen, ebenso wenig wie Angaben zu möglichen Unterkünften. Das Fehlen von geeigneten Informationen ist in der Tat das, was mich dazu gebracht hat, diese Webseite bereitzustellen. Das Ziel ist es, sicherzustellen, dass diese Erfahrung nicht verloren geht und, warum nicht, andere anzuregen, diese Wanderung ebenfalls zu machen.

TratturiDie ursprüngliche Idee war es, entlang der Trift "Tratturo Magno" (von L'Aquila bis Foggia) den Spuren der Hirten zu folgen. In der Vorbereitung mittels GPS habe ich jedoch bemerkt, dass die Trift in der Nähe von Vasto zu nahe am Meer entlang führt. In der Antike war der Weg für die Hirten sicher sehr bequem, angesichts der fehlenden Unebenheit. Heutzutage ist die Gegend jedoch sehr bebaut und aus diesem Grund wäre es notwendig gewesen, lange Stecken auf Asphalt zu gehen oder im Vergleich zum Originalweg große Umwege zu machen. Dies hätte entsprechende Folgen für den Zeitaufwand gehabt. Aus diesem Grund konzentrierte ich mich dann auf die Trift von Celano nach Foggia, die vollständig im Inneren unserer Halbinsel verläuft.

Die Vorbereitung dieser Wanderung kostete mich angesichts der nur spärlich zur Verfügung stehenden Informationen sehr viel Zeit. Allein ausgehend von der Kenntnis der Namen der Ortschaften entlang der Trift und unter Verwendung von alten IGM-Karten, die noch ihre Linienführung wiedergaben, war es möglich eine erste Skizze der möglichen Stecke zu zeichnen. Dieser erste Entwurf wurde dann mit Hilfe von Googles und Bings Satelliten-Karten verfeinert. Es zeigte sich, dass die Trift, die jetzt nicht mehr für die Wanderweidewirtschaft benutzt wird, nun zum großen Teil für öffentliche Bauwerke (typischerweise Straßen) aber auch zu privaten Zwecken genutzt wird. Danach wurden, hauptsächlich wegen der Unterkünfte, letzte Modifikationen der GPS-Daten vorgenommen. Da es sich um Gegenden innerhalb des Appennin handelt, die oft touristisch nicht erschlossen sind,stehen Übernachtungsmöglichkeiten nur in beschränktem Maß zur Verfügung.

Die erste Reise endete leider vorzeitig. Wie Sie sehen werden, fand ich die Trift in sehr schlechtem Zustand vor. Ich war zwar auf Schwierigkeiten gefasst, die auf menschliche Eingriffe in die Landschaft zurückzuführen sind, jedoch waren die Probleme im Grunde auf den Grad der Vernachlässigung des Weges zurückzuführen, die sie aufgrund der Vegetation unpassierbar machten. Die Hitze dieses Sommers gab schließlich den endgültigen Ausschlag, die Wanderung nach der Hälfte der Strecke zu abzubrechen.

Tratturo2Im Jahre 2017 ergab sich jedoch die Möglichkeit, das Thema Trift wieder aufzugreifen. Die zur Verfügung stehenden Ferientage waren zu wenige, um zu versuchen, die ganze Trift von Celano nach Foggia zu durchlaufen. Daher fiel die Wahl auf eine andere der fünf Haupt-Triften: die von Castel di Sangro nach Lucera. Die Vorbereitung fiel ähnlich zu der vorigen aus: IGM-Karten, Google, Bing... und ein wenig Erfahrung.

Unnötig zu erwähnen, dass die Situation mehr oder wenige dieselbe war: verschiedene Stecken waren nicht passierbar und es mussten folglich Umwege eingeschlagen werden. Diesmal jedoch haben es die Tatsache, von Anfang an über die Schwierigkeiten Bescheid zu wissen neben einer Heckenschere erlaubt, den Weg zu Ende zu bringen, obwohl die Temperaturen über denen des ersten Males lagen.

Hat sich die Mühe gelohnt? Ja! Beide Male. Es ist schwer, das Vergnügen zu erklären, das eine "Entdeckungswanderung" bietet, bei der man keine anderen Anhaltspunkte hat als die ungefähre Wegführung, die man sich vorher zurechtgelegt hat. Dazu kommt der Spaß, der auch für andere Wanderungen typisch ist: das Zusammentreffen mit Menschen und ihren Geschichten ebenso wie der Besuch von Orten, an denen der Massentourismus nicht interessiert ist.

Ich schließe dieses Vorwort mit einem herzlichen Dankeschön an Prof. Ottmar Beucher, der die deutsche Übersetzung dieser Seite herausgegeben hat.

Das Ziel der Website

Diese Webseiten sollen kein Reiseführer sein, sondern eher ein Tagebuch und eine Einladung an andere Wanderer, die Strecke anzugehen. Es handelt sich nicht um bequeme, aber auch nicht speziell schwierige Wege, zumal wenn man sie in der milderen Sommerzeit begeht, wie ich es aus beruflichen Gründen tun musste.

Die Website richtet sich aber auch an die lokal verantwortliche Verwaltung der Gegenden, die von den Triften durchlaufen werden. In diesen Jahren hat die Zahl der Personen, die die Ferien damit verbringen, die verschiedenen europäischen Wanderwege zu durchlaufen, beträchtlich zugenommen. Und dies in einem Maße, dass das Phänomen anfängt ernsthafte ökonomische Rückwirkungen auf die betroffenen Gegenden zu haben.

Oft sind die Wege am grünen Tisch geplant und die Orte und Wege bar jeder Tradition. Im Falle der Triften verhält es sich anders. Die Triften existieren seit Jahrhunderten und seit Jahrhunderten bildeten sie das Rückgrat der Wirtschaft des Königreichs beider Sizilien. Es sind phantastische grüne Autobahnen, die auch heute noch, trotz der Vernachlässigung, in großen Teilen (und einige sogar gänzlich) begehbar sind. Und deshalb ist es schade, das es quasi keine Instandhaltung gibt, was das Aufblühen der Wanderwege entlang der Triften verhindert. Diejenigen, die die Reise in Angriff nehmen, sind oft gezwungen, manchmal kilometerlange Umwege zu gehen, um kurzen, von der Vegetation versperrten Wegstrecken auszuweichen. Es würde wirklich nicht viel brauchen, um die Routen offen zu halten, die den Tourismus in Gegenden locken würden, die davon bislang wenig frequentiert sind. Mit dem Aufkommen der Smartphones mit eingebauten GPS hat die Kennzeichnung der Wege viel geringere Bedeutung als früher (ich persönlich halte sie sogar eher für invasiv). Daher werden keine großen Investitionen nötig sein. Es ist mehr eine Frage von geringem Instandhaltungsaufwand.

Die Aufforderung, die Ärmel hochzukrempeln, ist selbstverständlich auch auf jene auszudehnen, die in der Umgebung der Triften Geschäfte betreiben und die aus einer häufigeren touristischen Frequentierung Nutzen ziehen könnten. In vielen Fällen könnte eine kleine Gruppe von Freunden, ausgestattet mit Heckenscheren, an einem einzigen Tag ein unbegehbares Wegstück wieder öffnen. Kurz gesagt, wenn es kein öffentliches Eingreifen gibt...die private Initiative könnte den Unterschied machen!